Europa hat 23 afrikanischen Staaten 1,8 Milliarden Euro(1) angeboten, damit diese Fluchtursachen bekämpfen, ihre Grenzen besser sichern und Asylsuchende wieder aufnehmen. Was ist von diesem Angebot zu halten? Und können damit wirklich Fluchtursachen überwunden werden?

Europa für Fluchtursachen mitverantwortlich

Es heißt, Europa brauche Afrika, um der Flüchtlingskrise Herr zu werden. Doch schon diese Annahme greift viel zu kurz und geht an den eigentlichen Problemursachen vorbei. Europa ist nicht auf Afrika angewiesen. Europa könnte auch ohne seine „afrikanischen Partner“ Maßnahmen ergreifen, indem es zuallererst seine eigene Politik verändert, die zu den Fluchtursachen Armut und Perspektivlosigkeit beiträgt. Beispielsweise erpresst die EU viele afrikanische Staaten, Freihandelsabkommen abzuschließen (Berichte zu Ghana und Kenia). Durch diesen Freihandel werden die afrikanischen Unternehmen der Konkurrenz auf dem Weltmarkt ausgesetzt. Da viele afrikanischen Unternehmen klein und noch nicht wettbewerbsfähig sind, d.h. bspw. nicht gegen chinesische Importe bestehen können, gehen sie infolge des Freihandels oft bankrott. Es werden also Arbeitsplätze vernichtet und Perspektiven zerstört. Gleiches gilt für die europäische Fischerei– und Agrarpolitik. Eine Überwindung dieser Problemursachen steht allerdings nicht auf der europäischen Agenda.

1,8 Milliarden für 23 afrikanische Staaten – 3 Milliarden für die Türkei

Anstatt sich also der eigenen Verantwortung für Fluchtursachen (Armut und Perspektivlosigkeit) zu stellen, stellt Europa seinen „afrikanischen Partnern“ lieber Geld zur Verfügung, damit sich diese der Problematik annehmen. Im Vergleich zur Türkei, die über die nächsten zwei Jahre mit 3 Milliarden Euro unterstützt werden soll, erhalten 23 afrikanische Staaten über 5 Jahre lediglich 1,8 Milliarden Euro. Diese Summe sei eine Beleidigung gegenüber Afrika, so der Repräsentant der Afrikanischen Union bei der EU. Es stellt sich die Frage wie mit dieser geringen Summe all die auf dem jüngsten Migrationsgipfel zwischen der EU und afrikanischen Staaten beschlossenen Maßnahmen finanziert werden sollen. Wie also mit umgerechnet nur 80 Millionen Euro pro Land sowohl Maßnahmen zur Überwindung der hohen Jugendarbeitslosigkeit (oft über 50%) SOWIE Maßnahmen zur Grenzsicherung UND Maßnahmen zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Gesundheitsfürsorge, Bildung und sozialer Sicherung bestritten werden sollen.

Wenn man bedenkt, dass afrikanische Staaten jährlich circa 100 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verlieren, die auch für Maßnahmen zur Überwindung von Fluchtursachen fehlen, wird deutlich, dass diese 1,8 Milliarden Euro nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Dabei wurden die europäischen Staaten von afrikanischen Regierungschefs auf die Problematik der Steuerflucht und ihre Verantwortung hingewiesen und dennoch unterbanden sie eine Lösung dieser Problematik.

Einschränkung des Rechts auf Asyl und Zusammenarbeit mit Despoten

Doch Europa schiebt mit der 1,8-Milliarden Offerte nicht nur die eigene Verantwortung für Fluchtursachen von sich. Der vorgeschlagene „Hilfsfonds“ schränkt auch das Recht auf Asyl ein und kommt auch brutalen Despoten zugute. So wird Europa mit Ländern wie Eritrea, dem Sudan und dem Südsudan zusammenarbeiten und diese dabei unterstützen, ihre Grenzen zu sichern. Länder, die als Nordkorea Afrikas gelten (Eritrea), die von einem wegen Völkermords gesuchten Präsidenten regiert werden (Sudan) oder in denen Vergewaltigungen als Kriegswaffe an der Tagesordnung sind (Südsudan). Indem Europa zur Grenzsicherung in diesen Staaten beiträgt, hindert es die Menschen vor dem Unrecht zu fliehen und schränkt ihr Menschenrecht auf Asyl ein.

Stimmen afrikanischer Politiker

Afrikanische Politiker sehen die Bemühungen Europas ebenfalls kritisch. Europa würde den afrikanischen Staaten seine Agenda aufzwingen, so ein hochrangiger Diplomat der Afrikanischen Union (AU). Macky Sall, Präsident des Senegal, sagte, dass die „wirklichen Problemursachen“ übersehen würden. Sall wies erneut auch darauf hin, dass Afrika gar keine Hilfe zur Überwindung der Fluchtursachen brauche, wenn die afrikanische Staaten nicht um Steuereinnahmen bestohlen würden. Schon vor einigen Monaten betonten die Präsidenten Nigerias und Ghanas die wirtschaftlichen Fluchtursachen und die Perspektivlosigkeit der afrikanischen Jugend. Sie fordern Anstrengungen zur Industrialisierung Afrikas – ein Thema, welches die Europäer komplett ausblenden

Fazit: Europas kurzsichtige Flüchtlingspolitik

Die Bemühungen der Europäer greifen viel zu kurz. Europa entzieht sich der eigenen Verantwortung für Fluchtursachen und die zur Verfügung gestellten Mittel zur Schaffung von Arbeitsplätzen und den Ausbau von Bildungs- und Gesundheitssystemen sind viel zu gering – wie auch Robert Kappel betont. Zu allem Übel werden dabei auch noch Despoten unterstützt und das Recht auf Asyl eingeschränkt.

Europa betreibt dabei eine äußerst kurzsichtige Politik. Berechnungen zufolge wird Afrika im Jahr 2050 2,4 Milliarden Menschen beheimaten, was eine Verdoppelung zum heutigen Stand darstellt. Es werden also noch mehr junge Menschen auf den afrikanischen Arbeitsmarkt drängen. Eine vorausschauende europäische Politik würde den afrikanischen Staaten schon heute helfen, diese Herausforderung zu meistern. Sie würde schon heute dafür sorgen, dass Arbeitsplätze auf dem afrikanischen Kontinent geschaffen werden und die Fischer und Bauern wieder von ihrer Hände Arbeit leben können. Doch Europa handelt nicht vorausschauend und schafft somit schon heute die Flüchtlinge von morgen.

  1. Die EU Kommission hat 1,8 Mrd. Euro in einen sogenannten Trust Fund eingezahlt. Die EU-Mitgliedsstaaten sollten den Fund um die gleiche Summe aufstocken. Bisher sind dabei jedoch erst 81 Millionen zusammengekommen, sodass der Fund knapp 1,9 Mrd. Euro beinhaltet, statt der anvisierten 3,6 Milliarden.

Weitere Informationen zum Valletta-Gipfel auf der Internetseite des Europäischen Rates.