Deutsche Polizisten dürfen einreisenden Flüchtlingen Geld und Wertgegenstände abnehmen. Eine Praxis, die Flüchtlinge bevormundet und blind ist gegenüber dem Elend der Flucht. Begründet wird dieses Vorgehen mit dem Argument, Flüchtlingen dürfe es nicht besser gehen als Hartz4-Empfängern. Doch die falsche Behandlung einer Bevölkerungsgruppe darf nicht als Rechtfertigung für weiteres Unrecht angeführt werden.

Heute berichtet der Spiegel, dass „deutsche Polizisten einreisenden Flüchtlingen ihr Geld abnehmen können“. Diese Praxis wird schon in Dänemark und der Schweiz praktiziert. Und heute wird berichtet, dass auch in Deutschland „Vermögen“ von Flüchtlingen konfisziert werden kann. Flüchtlinge dürfen in Bayern 750 Euro und in Baden-Württemberg 350 Euro behalten – alles in Übereinstimmung mit Bundesrecht. Von der Konfiszierung ist auch Familienschmuck nicht ausgenommen, so der Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD).

Gerechtfertigt wird dieses Vorgehen durch einen Vergleich mit Hartz4-Empfängern:

Wer bei uns einen Asylantrag stellt, muss vor der Hilfegewährung grundsätzlich sein Einkommen und Vermögen aufbrauchen. Auch wenn sich manche Vorurteile hartnäckig halten: Als Asylbewerber hat man es mitnichten besser als ein Hartz-IV-Empfänger.

Zunächst einmal steht ein „Vermögen aufbrauchen“ im Widerspruch zur Konfiszierung von Geld! Aber auch davon ab ist diese Praxis unmenschlich und wird durch den Vergleich mit Hartz4-Empfängern keinen Deut besser. Vielmehr wird dadurch nur deutlich, wie ungerecht auch Hartz4-Empfänger behandelt werden.

Unmenschliches Vorgehen und Integrationshürde

Doch zunächst zu den Flüchtlingen. Wie unmenschlich ist es, einem Menschen, der vor Krieg, Elend und Perspektivlosigkeit flüchtet, der mitunter Angehörige, sein Hab und Gut oder auch „nur“ seine Heimat verloren hat, auch noch sein Erspartes und seine Wertgegenstände zu nehmen?

Und wie haarsträubend wird diese Praxis, wenn man sich die europäische Gesetzgebung anschaut! So verhindert eine EU-Direktive, dass sich Flüchtlinge ein Flugticket kaufen, um in die EU einzureisen (im Video). Nach dieser Direktive fällt es in den Verantwortungsbereich der Fluglinien, nachzuweisen, dass ein Flüchtling kein „illegaler Einwanderer“ ist. Nimmt eine Fluglinie „illegale Einwanderer“ mit, so muss sie selbst für die Kosten des Rückflugs aufkommen. Es steht aber nicht in der Macht der Fluglinien, nachzuweisen, ob jemand ein „legaler Flüchtling“ ist oder ob er keinen Anspruch auf Asyl hat und nicht mitfliegen darf. Und aus diesem Grund weisen die Fluglinien „zweifelhafte“ Passagiere von vornherein ab, weil sie nicht die Kosten eines möglichen Rückflugs übernehmen wollen. Die EU verhindert also, dass Menschen ihr Geld in eine sichere „Überfahrt“ investieren können und EU-Staaten nehmen ihnen dieses Geld dann an den Grenzen ab – nach all den Strapazen der Flucht. Was für eine perfide Politik.

Aber dies ist nicht der einzige Grund, warum die Konfiszierungspraxis abzulehnen ist. Ein weiterer Grund ist, dass heute noch niemand sagen kann, ob ein Flüchtling auch wirklich Asyl in Deutschland erhält. Wenn Deutschland diesen Menschen ihr Geld nimmt und ihr Asylantrag nicht bewilligt wird, dann stehen sie bei der Ausweisung vor dem Nichts. Sie werden zurückgeschickt in die Perspektivlosigkeit aus der sie geflohen sind und haben noch weniger Geld als vor ihrer Flucht.

Die Konfiszierung von Geldern und Wertgegenständen übersieht dabei auch vollkommen, dass ein Leben in Deutschland Geld kostet. Flüchtlinge müssen mittlerweile dutzende Monate und teilweise mehrere Jahre auf ihren Asyl-Bescheid warten. Während dieser Zeit erhalten sie nur Sachleistungen und ein geringes „Taschengeld“. Gespräche mit Flüchtlingen verdeutlichen dabei, wie schwierig es ist, mit diesen geringen Leistungen am sozialen Leben teilzunehmen, beispielsweise die Fahrt zu und Teilnahme an Deutschkursen (1) zu bezahlen. Müssen Flüchtlinge ihre geringen „Vermögen“ abgeben, erschwert man ihnen die Integration und trägt zu weiterem sozialen Elend bei.

Zu guter Letzt ist die Konfiszierung der „Vermögen“ der Flüchtlinge abzulehnen, da Deutschland, Dänemark, die Schweiz und andere Länder eine Mitverantwortung tragen an den Fluchtursachen dieser Welt. So gehört Deutschland auch bei Kriegsgütern und Waffen zu den „Exportweltmeistern“. Deutschland trägt so stark wie wenige andere Länder zum Klimawandel bei. Und Deutschland setzt sich für Handelsabkommen ein, die Armut verschärfen. Aufgrund dieser Mitverantwortung für Fluchtursachen ist es perfide, den Opfern dieser Politik ihr „Vermögen“ abzunehmen, sobald sie es an die vermeintlich schützenden Grenzen Europas und Deutschlands schaffen.

Schlechte Behandlung von Hartz4-Empfängern keine Rechtfertigung für weiteres Unrecht

Ein Vergleich mit Hartz4-Empfängern und der harten Behandlung, die sie oftmals auszuhalten haben, macht die Konfiszierungspraxis zudem nicht besser. Ganz im Gegenteil. Eine solche Argumentation befeuert die Neiddiskussion in Deutschland nur noch weiter, dass es Flüchtlingen grundsätzlich nicht besser gehen dürfe, als den Ärmsten in Deutschland. Die falsche Behandlung einer Bevölkerungsgruppe darf aber nicht als Rechtfertigung für weiteres Unrecht angeführt werden. Vielmehr gilt es, endlich auch Hartz4-Leistungen zu erhöhen bzw. die harten Sanktionsmaßnahmen zu lockern.

Es darf nicht sein, dass Hartz4-Empfänger heute unter Generalverdacht gestellt werden, sich Leistungen erschleichen zu wollen; dass sie in der Beweispflicht stehen, genug für ihre „Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt“ zu tun und sie dabei oftmals der Willkür von Sachbearbeitern ausgesetzt sind. Und ebenso wenig darf es sein, dass es einen internen Wettbewerb zwischen Jobcentern gibt, welches am meisten Leistungen kürzt (2).

Den sozial Schwächsten werden Leistungen gekürzt und ihr „Vermögen“ wird konfisziert. Und dabei fragt niemand, ob es in der heutigen globalisierten Welt überhaupt noch möglich ist, alle Menschen in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen – selbst der Chef eines deutschen Jobcenters bezweifelt das.

Konfiszierungen und der Diskurs um sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge

Die Konfiszierungspraxis geht jedoch Hand in Hand mit dem Diskurs um die sogenannten „Wirtschaftsflüchtlingen“. Der Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ wird dabei von immer mehr Politikern und „besorgten Bürgern“ genutzt. Sie behaupten dabei direkt oder indirekt, diese Menschen kämen nur wegen der Sozialleistungen nach Deutschland und nicht aufgrund von Krieg, Armut und Perspektivlosigkeit in ihren Heimatländern. Mit diesem Diskurs um „Wirtschaftsflüchtlinge“ wird Sozialneid befördert. Statt endlich eine bessere Politik für die Ärmsten in Deutschland zu machen – ob Kurzarbeiter, Hartz4-Empfänger oder Flüchtlinge – wird der Eindruck erweckt, „die Flüchtlinge“ würden „den Deutschen“ in Zukunft Sozialleistungen wegnehmen. Solche haltlosen Äußerungen lenken wunderbar von wichtigeren Themen und Fragen ab. So spricht kaum einer der „besorgten Bürger“ darüber, welche Kosten die deutsche Gesellschaft durch Steuerflüchtlinge zu tragen hat. Und ebenso wenig wird öffentlich darüber debattiert, warum ein VW-Chef, der mit seinem Größenwahn zig tausende Arbeitsplätze gefährdet, sein Millionen-Gehalt trotz Rücktritts auch 2016 weiter erhalten wird.

 

(1) Deutschkurse werden nur für Flüchtlinge mit offiziellem Status bezahlt oder wenn ihr Asylgesuch sehr gute Aussichten auf Erfolg hat – was bei den wenigstens Herkunftsländern der Fall ist.

(2) Wie mir ein Mitarbeiter aus einem Jobcenter zutrug.

 

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